Bücherverbrennung
Von Elmar Brohl
- 3 Minuten - 444 WörterIn der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung waren am 13. Mai 1992 und am 8. Mai 2023 Beiträge zur Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 erschienen, die die hannoversche Studentenschaft »wider den Undeutschen Geist« durchgeführt hatte. In dem erstgenannten Zeitungsbeitrag war davon die Rede, dass
lediglich eine katholische deutsche Studentenverbindung, Frisia
bei der Aktion nicht mitgemacht hätte. Diese Aussage wurde auf dem 90. Stiftungsfest mit Begeisterung aufgenommen. So rühmlich eine Verweigerung der Frisia gewesen wäre: der Text in der Zeitung war falsch, er beruhte auf einer mangelhaften Recherche des Autors. Im Frisen-Nachrichtenblatt vom Sommer 1933 berichtete z.B. der damalige Senior August Kuhn:
mit besonderem Eifer beteiligten sich alle Bundesbrüder bei der Säuberung der Altstadtbibliotheken — dieser Stadtteil war uns zugeteilt — und sahen freudig zu am Abend beim Fackelzug den Schmutz und Schund in den Flammen aufgehen.
Der diesjährige Beitrag in der HAZ wiederholte den Fehler von 1992 nicht. In dem Ergänzungsband zur Fuxenstunde von Bernhard Grün und Christoph Vogel gibt es in der langen Chronologie der Frisen-Geschichte 4 Zeilen zur Bücherverbrennung, ohne die Beteiligung der Frisen als Schandtat zu kennzeichnen.
Bücherverbrennungen waren nicht ungewöhnlich: Paulus empfahl sie der Gemeinde in Ephesus, Luther ließ die päpstliche Bulle verbrennen und auf dem Wartburgfest 1817 gingen auf Initiative der Burschenschaft Schriften der politischen Restauration in Flammen auf. Seit 1926 gab es auch ein Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften. Die Deutsche Studentenschaft der NS-Zeit nahm den Begriff »Schmutz und Schund« auf, verwendete ihn aber gegen jüdische, marxistische, pazifistische, homosexuelle und oppositionelle Autoren, worunter auch Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues zählte, dessen Romanverfilmung in diesem Jahr mit einigen Preisen ausgezeichnet wurde.
Die Frisen sahen 1933 freudig der Verbrennung der Bücher zu. Sie hatten sich schon 1925/1926 an den Protesten gegen den jüdischen Philosophie-Professor Theodor Lessing beteiligt, der vor der Wahl des Reichspräsidenten öffentlich den Kandidaten Hindenburg als einen »Zero« (also als Null) bezeichnet hatte, hinter dem ein Nero folgen würde (womit er Recht hatte). Daraufhin wurden Lessings Vorlesungen nicht nur boykottiert, in den Tumulten schrieen die Studenten sogar: »Juden raus!«
Der Rektor ließ einigen Protestierenden die Studienausweise abnehmen, darunter auch 3 Frisen. In dem bald folgenden Auszug der hannoverschen Studenten nach Braunschweig sind etwa 10 Frisen bei der Abfahrt des Sonderzugs auf einem Foto zu sehen. Lessing wurde 3 Monate nach der Bücherverbrennung von einem NS-Mordkommando erschossen. In der obengenannten Fuxenstunde werden die studentischen Aktionen gegen Lessing zwar erwähnt, aber ein Hinweis auf die schändliche Beteiligung von Frisen an den Tumulten ist dort ebenfalls nicht zu finden.
- Belege
- Einhundert Jahre Akademische Verbindung Frisia: Beiträge zur Geschichte der AV Frisia in Hannover 1902 - 2002, 2002, S. 98-102 und 119-121
- Die Fuxenstunde: Handbuch des Korporationsstudententums. 2014