Franz Mollenhauer: ein Frise im KZ
Von Elmar Brohl
- 4 Minuten - 833 WörterFranz Mollenhauer, geboren am 31. Mai 1883, entstammte einer Familie von Instrumentenbauern in Fulda, seit 1822 bis heute 11 Personen. Er schloss sich aber nicht der Familientradition an, sondern begann 1905 das Ingenieur-Studium in Hannover und trat am 2. Mai 1905 der Frisia bei. Der Frise Otto Ley, der 3 Jahre vor Franz an der Fuldaer Oberrealschule das Abitur gemacht hatte, dürfte ihn auf Frisia aufmerksam gemacht haben. Ab 1906 setzte Franz sein Studium aber in Danzig fort und trat bei Baltia ein, wo er xxx und FM wurde. Seine Examensarbeit 1913 behandelte einen Schifffahrtskanal, die folgende Tätigkeit bei der Regierung Danzig bis zum Baumeister-Examen 1919 galt Hafenbauten in der Danziger Bucht und dem Abschlusswerk der Nogat. 1916-1918 leistete er Militärdienst beim Somme-Seitenkanal. Danach schlossen Arbeiten in Konstruktionsbüros für den Industriebau in Zoppot und Danzig an. Mit der Wahl 1923 als Stadtbaurat in Marienburg verlagerten sich seine Tätigkeiten auf Städtebau, Wiederherstellung des mittelalterlichen Stadtbildes und kommunalen Hochbau, u.a. auf Siedlungsbau, Flughafen, Stadthalle und Schulen; sein Entwurf war das Grenzland-Rathaus, das seinerzeit Aufsehen erregte.
Mollenhauer lehnte 1933 ab, in die NSDAP einzutreten, was zur Folge hatte, dass sein Vertrag mit der Stadt Marienburg nicht verlängert wurde und er zum 1. April 1935 in den Ruhestand trat. Ein Verbleib in Marienburg war jetzt nicht mehr möglich, er zog daher mit seiner Familie in seine Heimatstadt Fulda. Im Mai 1935 wurde er aber von der Gestapo verhaftet und über Kassel und Breslau in das KZ Columbia-Haus auf dem Flugplatz Berlin-Tempelhof in »Schutzhaft« gebracht. Ihm wurde vorgeworfen, während seiner Dienstzeit die Kopie eines geheimen Erlasses der Gestapo von 1934 durch Mittelspersonen an das Franziskanerkloster in Marienburg weitergegeben zu haben. Mit diesem Kloster hatte Mollenhauer schon längere Zeit Kontakt gehabt, weil er dort Umbaumaßnahmen durchführte. Der betr. Erlass war tituliert mit »Geldverschiebung des katholischen Klerus nach dem Ausland;« in dem kopierten Schriftstück ging es aber nur um die Höhe von an sich zulässigen Überweisungen. Bis März 1936 wurde Mollenhauer im KZ festgehalten, wo er vom SS-Lagerleiter menschlich behandelt, aber vom Wachpersonal, insbesondere dem jüngeren, gequält wurde. Eine Gerichtsverhandlung fand allerdings erst 1937 in Marienburg statt; gegen das Urteil der Dienststrafkammer der Regierung Westpreußen auf Entzug des Ruhegehalts legte er Berufung ein. Der Reichsdienststrafhof reduzierte dieses Urteil 1939 auf Kürzung des Ruhegehalts um 1/10 für die Dauer von 3 Jahren; die Revision ging dabei davon aus, dass das betr. Schriftstück nicht als Geheim gekennzeichnet war und dem Deutschen Reich kein Schaden entstanden war, es handele sich daher nicht um eine Dienstverfehlung, sondern nur um »eine grobe Entgleisung eines gebildeten Mannes und höheren Beamten.« Im Wiedergutmachungsverfahren wurde 1954 Mollenhauer eine Entschädigung zugesprochen.
Die Familie Mollenhauer wohnte seit 1935 im Elternhaus in Fulda, war aber längere Zeit mittellos, doch konnte sie sich auf die Unterstützung durch seine Geschwister verlassen. Bald eröffnete Mollenhauer ein Architektur- und Ingenieurbüro, das aber während des Kriegs kaum gefragt war. Im Bombenkrieg wurde er zum Bau von Behelfsluftschutzkellern herangezogen. 1943/44 wurde er bei der Organisation Todt an der Westfront eingesetzt, wo er bei einem Luftangriff auf die Stadt La Fléche verwundet wurde. Kurz nach einem Bombenangriff auf Fulda am 11./12. September 1944 war er auf Genesungsurlaub in seiner Heimatstadt, die ihn sogleich als Bezirksarchitekt für die Trümmerbeseitigung engagierte und ihn schließlich mit den Aufgaben des Stadtbauamtes betraute. In Fulda waren damals nur 750 Häuser (22%) unzerstört geblieben, beim Rückzug hatte die Wehrmacht alle Brücken gesprengt, die Hälfte der Entwässerungskanäle war zerstört, es fehlte an Personal, an Handwerkern und Material, sodass Mollenhauer alle Maßnahmen auf das Allernotwendigste beschränken musste. Mit Segeltuchplanen ließ er z.B. die Orangerie abdecken, um die wertvollen Deckengemälde zu erhalten. Da es keine Dachziegel gab, erfand er ein Provisorium, indem er hölzerne Schindeln erstellen ließ, die sich einfach auch bei kleineren Schäden einsetzen ließen. Was die Sicherung des tw. zerstörten Domes anging, vertrat er die Meinung, dass dessen Instandsetzung auf eine längere Bauzeit verteilt werden müsste, Vorrang habe die Wiederherstellung der Wohnungen. Auf die vakante Stelle als Stadtbaurat wurde 1947 Hans Nüchter gewählt, der ebenfalls aus Fulda stammte und Mitglied bei Tuiskonia-München war. Mollenhauer versah noch bis 1949 kommissarisch die Stelle des Direktors der Gas- und Wasserwerke.
Am 20. November 1958 ist Franz Mollenhauer in Fulda gestorben. An seiner Beerdigung nahmen etliche CV-er, vonseiten der Frisia Albert Heine und Herbert Unland sowie 3 Aktive teil. Zu den offiziellen Teilnehmern gehörte auch der letzte demokratische Bürgermeister von Marienburg, der Mollenhauers damalige Tätigkeit für die Stadtentwicklung würdigte. In den Zeitungen wurden seine Verdienste bei der Beseitigung der Kriegsschäden in Fulda besonders anerkannt, die den Grundstein für den Wiederaufbau der Stadt nach 1949 gelegt hatten. Als freundliche, humorvolle und stadtbekannte Persönlichkeit, die sich auch im Ruhestand zum Wohl vieler Menschen betätigt habe, wurde er genannt; er war noch bis in die letzten Tage von erstaunlicher Rüstigkeit. Er hinterließ seine Frau Hanni, die er 1918 in Danzig geheiratet hatte, und 3 Kinder.
Belege:
- Informationen der Familie Dornieden in Fulda und des Stadtarchivs Fulda
- Buchenblätter (Beilage der Fuldaer Zeitung) 24. Jan. und 1. Febr. 2005
- Fuldaer Zeitung 21. Nov. 1958